Entgrenzungspfahl
1991
Rede Rudolf Burgers anlässlich der Eröffnung des Denkmals von Sabine Müller-Funk und Milan Zacek am wiedereröffneten Grenzübergang Drosendorf-Vratenin am 26.10.1991
Europa ist nicht nur ein geographischer Begriff, sondern auch ein historischer, ein politischer und ein kultureller. Als all das ist Europa ein Produkt von Kriegen – von Bürgerkriegen und von Glaubenskriegen, von Kriegen zwischen Staaten, Völkern und Nationen. Das ist die Wahrheit seiner Multikulturalität. Und weil das so ist, ist Europa voll von Grenzen und innerhalb dieser von nationalen Denkmälern übersät. Die meisten von ihnen sind kriegerischen Inhalts und fordern auf zur Identifikation mit der je eigenen, als heroisch verklärten Vergangenheit. Sie feiern die Siege des eigenen Volkes oder halten die Erinnerung wach an seine Niederlagen, und zwar so, daß sie die Kräfte sammeln für künftige Konfrontationen, die im Extremfall wieder Waffengänge sind. Als Manifeste monumentaler Propaganda ist ihnen eine spezifische aus Sentimentalität und Aggression, auf alle Fälle aber ein Zug zur patriotischen Borniertheit – das gilt auch für sogenannte „Kulturdenkmäler”, mit denen die Leistung großer einzelner, die selber alle nationale Grenzen sprengten, für ein stattliches Kollektiv vereinnahmt werden: Der letzte Analphabet ist dann noch stolz auf die Leistungen der „eigenen” großen Dichter, als ob er selbst etwas zu ihrer Dichtung beigetragen hätte – außer vielleicht als Objekt seiner Elegie.
So sind fast alle europäischen Denkmäler, wiewohl sie innerhalb der nationalen Grenzen stehen, in den urbanen, kleinstädtischen oder dörflichen Zentren, ideologische Grenzpfähle für die eigene nationale, völkische oder kulturelle Identität; im Namen des Gedenkens legen sie das Denken still und binden es an einen Fetisch – an den Fetisch kollektiver Identität.
Europa ist nicht nur ein geographischer Begriff, sondern auch ein historischer, ein politischer und ein kultureller. Als all das ist Europa ein Produkt von Kriegen – von Bürgerkriegen und von Glaubenskriegen, von Kriegen zwischen Staaten, Völkern und Nationen. Das ist die Wahrheit seiner Multikulturalität. Und weil das so ist, ist Europa voll von Grenzen und innerhalb dieser von nationalen Denkmälern übersät. Die meisten von ihnen sind kriegerischen Inhalts und fordern auf zur Identifikation mit der je eigenen, als heroisch verklärten Vergangenheit. Sie feiern die Siege des eigenen Volkes oder halten die Erinnerung wach an seine Niederlagen, und zwar so, daß sie die Kräfte sammeln für künftige Konfrontationen, die im Extremfall wieder Waffengänge sind. Als Manifeste monumentaler Propaganda ist ihnen eine spezifische aus Sentimentalität und Aggression, auf alle Fälle aber ein Zug zur patriotischen Borniertheit – das gilt auch für sogenannte „Kulturdenkmäler”, mit denen die Leistung großer einzelner, die selber alle nationale Grenzen sprengten, für ein stattliches Kollektiv vereinnahmt werden: Der letzte Analphabet ist dann noch stolz auf die Leistungen der „eigenen” großen Dichter, als ob er selbst etwas zu ihrer Dichtung beigetragen hätte – außer vielleicht als Objekt seiner Elegie.
So sind fast alle europäischen Denkmäler, wiewohl sie innerhalb der nationalen Grenzen stehen, in den urbanen, kleinstädtischen oder dörflichen Zentren, ideologische Grenzpfähle für die eigene nationale, völkische oder kulturelle Identität; im Namen des Gedenkens legen sie das Denken still und binden es an einen Fetisch – an den Fetisch kollektiver Identität.
Was sie hier sehen, ist von alledem das Gegenteil, und es dürfte in Europa ziemlich einmalig sein – ein „Grenzdenkmal” ist das mitnichten, obwohl es auf einer Grenze steht – es ist das Zeichen für das Verschwinden einer Grenze, zumindest für ihren Abbau und ihre Zivilisierung.
Ein Denkmal, ein „Mahnmal” ist das Gebilde schon, doch ein Mahnmal ist es nur ironisch, weil es keine Identitäten stiftet, sondern sie im Gegenteil – unterläuft.
Es ist nicht fixierend, und es geht ihm jedes Pathos ab, seine Form ist ebenso transitorisch wie der Ort, an dem es steht – zwar lädt es zum Verweilen ein, aber nur für einen vorübergehenden Augenblick und nur jene, die über eine Grenze gehen: Es feiert nicht das Bleiben, sondern den Übergang, das Überschreiten einer Grenze, und es hält die Menschen nicht fest an ihrem Platz, sondern grüßt sie flüchtig vom Rande einer Straße her.
Es ist nicht aus Stein, jener bodenverbundenen Substanz, welche das Bleibende, das Undurchdringliche um Ausdruck bringt – sein Material ist Metall und Glas – das Material der Moderne, Symbol von Konstruktivität und Transparenz – und von ihrem Widerspruch. Wo vor zwei Jahren noch, nach den Worten von Churchill, ein „eiserner Vorhang” war, hinter dem ein schlechtes Spiel noch schlechter gespielt worden ist als anderswo; ein Vorhang der Menschen sinnlos trennte, deren Vorfahren über Jahrhunderte in einem regen, wenn auch durchaus nicht konfliktfreien Austausch lebten, dort steht heute unter wirklich freiem Himmel eine glitzernde Skulptur, die an den Aufbruch vor zwei Jahren erinnert und an den Überschäumenden Enthusiasmus, der ihn trug.
In ihrer Noblesse verschmäht sie, daraus ein neues Heldenepos aufzubauen, aber sie macht aus dem Niemandsland, auf dem sie steht, ein Land für alle, und an die Dummheit der Vergangenheit erinnert sie nur insofern, als sie deren Zerbrechen fixiert.
Das Werk das die Grenzüberschreitung feiert, die politische wie die regionale, ist selbst das Produkt einer grenzüberschreitenden Kooperation zwischen der österreichischen Künstlerin Sabine Müller-Funk und dem tschechischen Künstler Milan Zacek.
Wovon Politiker oft nur reden, und nicht nur sie, das haben die beiden getan: Sie haben sich über eine Grenze hinweg verständigt und andern mit Ihrer Arbeit Freude gemacht. Und das in einer Sprache, die nur wenige sprechen, die aber jeder versteht, sofern er nur die Augen aufmacht und schaut: In der Sprache der Kunst.
Rudolf Burger
26.10.1991